Einzelhandel im Landkreis braucht weiter Unterstützung
Die durch die Corona-Pandemie bedingten monatelangen Schließungen waren insbesondere für den stationären Einzelhandel eine schwierige und häufig existenzbedrohende Situation.
„Dieser Zustand mit monatelangen Geschäftsschließungen, darf sich unter keinen Umständen wiederholen. Dafür muss vorausschauend alles nur Mögliche getan werden. Ich habe deshalb die Landesregierung zur konkreten Situation des Einzelhandels, zu Förderprogrammen und Vorsorgekonzepten befragt. Wenn derzeit laut Einschätzung des Handelsverbandes Thüringen e.V. (HVT) in Saalfeld eine gute innerstädtische Struktur bestehe und der Leerstand dort gegen null gehe, ist das erfreulich, darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Einzelhändler große Verluste zu verkraften haben und am Limit arbeiten. Das wird mir in persönlichen Gesprächen immer wieder bestätigt“, so der Saalfelder Landtagsabgeordnete Maik Kowalleck.
Die Antwort aus dem Thüringer Wirtschaftsministerium auf die Anfrage Kowallecks bestätigt anhand konkreter Zahlen die allgemeine Situation.
Zwar ist der Einzelhandelsumsatz nach Veröffentlichungen des Thüringer Landesamts für Statistik (TLS)insgesamt in Thüringen im Jahr 2020 gegenüber 2019 um real 3,2 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung muss aber differenziert betrachtet werde. Während beispielsweise der Einzelhandel mit Nahrungsgütern zulegte, musste vor allem der Einzelhandel mit Bekleidung, Schuhen, Lederwaren, Schmuck sowie Augenoptiker und Apotheken Einbußen hinnehmen. Den deutlichsten Zuwachs hatte der Bereich "Einzelhandel, nicht in Verkaufsräumen, nicht an Verkaufsständen oder auf Märkten" mit 19 Prozent. Dazu gehört der Versand- und Internethandel.
Besonders der Bekleidungseinzelhandel dürfte nach Einschätzung des Handelsverband Deutschland (HDE) in den ersten sechs Monaten 2021 gut ein Drittel seiner Erlöse verloren haben, der Bereich Freizeit, Heim und Garten gut 16 Prozent und der Möbelhandel circa 12 Prozent. Nach Einschätzung des HDE vom Juli 2021 ist die Lage in der Non-Food-Branche immer noch kritisch. Seitens der Landesregierung sei diese Entwicklung vergleichbar auch für Thüringen anzunehmen.
Im Einzelhandel (ohne Handel mit Kraftfahrzeugen) wurden im Jahr 2020 in Thüringen neun Insolvenzen beantragt, 18,2 Prozent weniger als 2019. Ein Grund für die niedrigere Zahl beantragter Unternehmensinsolvenzen dürfte die ausgesetzte Insolvenzantragspflicht für überschuldete Unternehmen bis Ende 2020 sein.
Auf die Frage, wie sich die Fachkräftesituation im Einzelhandel in Thüringen pandemiebedingt entwickelt hat, teilte das Thüringer Wirtschaftsministerium mit, dass mit Stand 30. September 2020 (letzter verfügbarer Datenstand) 58.394 Personen in Thüringen im Einzelhandel sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren. Im Vergleich zum September des Jahres 2019 waren dies 406 Personen oder rund 0,7 Prozent weniger. Bezogen auf den September 2018 waren im Einzelhandel 848 Personen oder 1,4 Prozent weniger sozialversicherungspflichtig beschäftigt.
Nach Einschätzung des Handelsverbandes Deutschland ist in Deutschland die Gesamtbeschäftigung im Einzelhandel auch im Jahr 2020 insgesamt auf einem hohen Niveau geblieben. Danach seien am 31. Dezember 2020 rund 3,1 Millionen Menschen im Einzelhandel beschäftigt gewesen. Dass die Zahl der Beschäftigten stabil blieb, ist insbesondere auch den positiven Effekten der Kurzarbeit zuzuschreiben.
Laut Bundesagentur für Arbeit habe der Einzelhandel wie die gesamte Wirtschaft im Bereich Ausbildung mit den insgesamt stark sinkenden Bewerbungsmeldungen zu kämpfen. Zudem könnten digitale Angebote die Berufsberatung an Schulen sowie Ausbildungsmessen nicht ersetzen.
Hinsichtlich Unterstützung der bedarfsgerechten Deckung des Fachkräftebedarfs und der Ausbildungsförderung wird seitens des Wirtschaftsministeriums verwiesen auf die Thüringer ESF-Fachkräfterichtlinie mit ihren vier verschiedenen Fördergegenständen, auf die Thüringer Agentur für Fachkräftegewinnung (ThAFF) und auf das "Online-Portal", das die unterschiedlichen Beratungs- und Ausbildungsstellenangebote unter dem Motto "Deine Ausbildung in Thüringen" auf einer zentralen Plattform zusammenführt.
Weiterhin ist anzumerken, dass auch der Bund seit dem Sommer 2020 mit dem Programm "Ausbildungsplätze sichern" Unternehmen bei der Ausbildung finanziell unterstützt. Seitens des BMAS wurde das Programm mit Wirkung vom 26. März 2021 mit verbesserten Konditionen verlängert. Laut Bundesagentur für Arbeit wird das Programm von den Thüringer Unternehmen gut angenommen. Im Zeitraum August 2020 bis Juni 2021 gingen allein 1.306 Anträge auf Ausbildungsprämien und Ausbildungsprämien plus bei der Bundesagentur für Arbeit ein. Drei Viertel von diesen konnten positiv entschieden werden.
Betreffs Arbeitsschutzmaßnahmen und Infektionsschutzregeln wurde in Thüringen im Mai 2020 eine erste Branchenregelung für den Einzelhandel zur Verfügung gestellt. Die aktuelle Fassung der abgestimmten Branchenregeln für den Einzelhandel mit Stand 1. Juli 2021 kann auf der Webseite des Thüringer Sozialministeriums eingesehen werden. Die Hinweise und Empfehlungen zu Maßnahmen beziehen sich auch auf die Eindämmung der weiteren Ausbreitung der so genannten Delta-Variante in Thüringen. Außerdem unterstütze das Land Betriebe bei der Durchführung der Corona-Schutzimpfungen für Beschäftigte, insbesondere durch das Angebot des Einsatzes mobiler Impfteams.
Auf Kowallecks Frage nach der Unterstützung des Einzelhandels im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt teilt das Wirtschaftsministerium mit, dass im Zeitraum 1. Januar 2020 bis 30. Juli 2021 im Einzelhandel im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt über alle Förderprogramme 271 Anträge mit einem Fördervolumen in Höhe von 3.881.986,55 Euro bewilligt worden sein. 36 Anträge wurden abgelehnt, 8 wurden zurückgezogen. Derzeit würden sich noch sechs Anträge in Bearbeitung befinden. Dem Einzelhandel stünden in Thüringen diverse Förderprogramme, insbesondere die Programme der Wirtschaftsförderung wie Thüringen-Invest und der Digitalbonus offen.